Die Micky Maus – Technik Teil 2 (Soziophobie)

Vorwort

Wenn andere Menschen von meiner Tätigkeit als Hypnosetherapeut erfahren, ist die Neugierde oft sehr groß. Ich höre oft dieselben Fragen: Was macht ein Hypnosetherapeut? Was ist die Hypnose überhaupt? Kann die Hypnose mir wirklich bei körperlichen und seelischen Problemen helfen? Wie läuft so eine Therapie eigentlich ab?

In den „Geschichten aus der Praxis“ möchte ich die letzte Frage beantworten und Ihnen jeden zweiten Sonntag einen Einblick in die hypnotische Arbeit geben. Dabei lege ich selbstverständlich sehr großen Wert auf Diskretion und halte die Identität meiner Klienten geheim. Ich verändere dafür die Personendaten (Name, Alter etc), oder halte sie absichtlich sehr vage, um meine Klienten zu schützen.

In den Geschichten werden Sie auf sog. „Archetypen“ treffen, die man auch als Persönlichkeitsteile, oder Ich-Anteile bezeichnen könnte. Sie zeigen sich in der Form von Menschen, Gegenständen, Tieren, oder Fabelwesen und dienen uns als „Sprachrohr des Unbewussten“. Sie geben uns wichtige Informationen und helfen uns bei der Bewältigung unserer Ängste, oder Konflikte.

Im Hypnose-FAQ habe ich Ihnen alles Wissenswerte über unsere unbewussten Helfer zusammengefasst – hier erfahren sie alles zur inneren Weisheit, der Tiefenperson und dem Saboteur.

Die Micky Maus – Technik II

Im ersten Teil habe ich beschrieben, wie Stefan seine innere Weisheit in der Form eines weisen Mannes und seine Tiefenperson in der eines Riesen fand. Lies nun, wie Stefan sich im wahrsten Sinne des Wortes selber gefunden und seine Angst überwunden hat:

Stefan erzählte mir, dass sich seine Gedanken in der Zwischenzeit verändert haben. Wenn sich die Mitmenschen abweisend verhielten (ihn zum Beispiel nicht oder nur beiläufig grüßten), hatte er dies früher auf sich selber bezogen und begonnen an sich zu zweifeln. In diesen Situationen begab er sich nun in Gedanken auf die Hand der Tiefenperson und konnte so die Situationen mit Hilfe der dazu gewonnenen Sicherheit neu bewerten. Aus dem Gedanken „Mit mir stimmt etwas nicht!“ wurde beispielsweise „Der ist vielleicht gerade einfach im Stress.“ Auch erzählte er mir, dass er sich immer sicherer fühlte und sich besser durchsetzen konnte.

In Hypnose etablierten wir ein System, in dem ihn der weise Mann und die Tiefenperson in Konfliktsituationen begleiten. Die Tiefenperson gibt ihm von nun an das Gefühl der Sicherheit und der weise Mann die richtigen Worte. Dieses Zusammenspiel erfüllt seinen Zweck und Stefan wurde vor allem auf der Arbeit immer selbstsicherer und konnte seine Standpunkte souveräner verteidigen. Nur gab es da diesen einen autoritären Kollegen, gegen den er nicht ankommen konnte. In Hypnose fiel es Stefan trotz der Arbeit seiner inneren Helfer schwer dem Kollegen standzuhalten. Mir kam folgende Idee: Ich bat Stefan, dem Kollegen die Stimme von Micky Maus zu geben. Stefan fing sofort an zu lächeln. In Verbindung mit der Micky Maus- Stimme verflog die Autorität des Kollegen in Windeseile. Stefan konnte nun ohne Probleme seine Meinung vertreten und musste sogar aufpassen, dass er den Kollegen noch ernst nahm. Wenn er mit ihm in Zukunft redete, sollte er sich im Hinterkopf von nun an vorstellen, der Kollege würde mit der Micky Maus Stimme reden. Er beendete die Sitzung mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht und dem Satz: „Das ist ja mal eine super Micky Maus-Technik!“

In der nachfolgenden und letzten Sitzung erzählte mir Stefan, dass die neu gelernte Technik sehr gut funktionierte. Die Anspannung sei nun komplett verflogen und er konnte sich nun auch mit dem autoritären Kollegen auf Augenhöhe unterhalten.

Wir gingen noch einmal zur Tiefenperson, welche Stefan mit in seine Kindheit nahm – genauer gesagt in die Schulzeit. Hier sah Stefan sich selber, wie er Angst davor hatte, dass die Mitschüler ihn beobachten und mit seinem Vater vergleichen würden. Der „kindliche Stefan“ hatte Angst etwas Falsches zu tun oder zu sagen und hatte sich zurückgezogen. Die Tiefenperson gab dem „großen Stefan“ die Aufgabe, dem Kleinen Mut und Kraft zu geben. So ging Stefan zu ihm und sagte ihm, dass er nicht die Lasten der Familie auf seinen Schultern tragen muss. Er brauche auch keine Angst zu haben, dass er so verhaltensauffällig wie sein Vater werden würde. Der kindliche Stefan wurde zunehmend lockerer und entspannter. Die Tiefenperson nahm den kleinen und den großen Stefan auf die Hände und hielt sie beide hoch, sodass sie nun beide die Sicherheit spüren konnten. „Wenn sich dieses Gefühl festigt, wird keine weitere Sitzung mehr nötig sein!“ sagte der Riese und sollte Recht behalten.

Wir vereinbarten zwar noch eine Sitzung, die Stefan aber per Email absagte: „In den letzten Wochen habe ich noch einmal verstärkt darauf geachtet, wie ich mich im Umgang mit anderen Menschen fühle. Gerade im beruflichen Umfeld ist mir aufgefallen, dass es keine Situation mehr gegeben hat, in der ich den Eindruck hatte, mich nicht selbstsicher genug zu fühlen. Ganz im Gegenteil kann ich rückblickend sogar feststellen, dass ich durchweg authentischer geworden bin. […] Vielleicht auch noch ein positiver „Neben“-Effekt: Seit unserer letzten Sitzung fühle ich mich deutlich erwachsener. Vielleicht liegt es auch daran, weil ich nun [ein Jahr älter geworden] und damit nun wirklich in ein neues Lebensjahrzehnt gestartet bin. Ich bin aber eher der Ansicht, dass es daran liegt, dass der kindliche [Stefan] nun seinen richtigen Platz gefunden hat. Dadurch ist bei mir ein inneres Gleichgewicht entstanden. Natürlich darf auch der kindliche [Stefan] immer mal wieder zum Vorschein kommen. Er dominiert nun aber nicht mehr, sondern der erwachsene [Stefan] übernimmt an seiner Stelle die Verantwortung. Das ist ein gutes Gefühl.“

Kommentar: Mit dem Blick auf die letzte Sitzung ist für mich nun vollkommen klar, was der weise Mann damit meinte, dass Stefan sich selber finden soll und dass die innere Anspannung ihn daran hindert so zu sein, wie er gerne sein möchte. Das passt vollkommen auf den „kindlichen Stefan“. Man könnte sagen, Stefan hat die Aufgabe, sich selber zu finden, wortwörtlich umgesetzt. Super!

Auch spannend finde ich den Gedanken, dass wir zu Beginn der Therapie einen Teil gesucht haben, der Stefan zeigen kann, wie es sich anfühlt sicher und selbstbewusst zu sein. Mit Hilfe der Tiefenperson wurde Stefan selber zu diesem selbstsicheren Teil, der dem „kindlichen Stefan“ die Angst nahm so zu sein, wie er eigentlich sein will.

„Glück ist nicht im Außen, sondern nur im Innern zu finden.“

Auch spannend: „Die Geburt war ein Traum!“ (Geburtsvorbereitung) und „Ich glaube mein Unbewusstes versteht kein Deutsch!“

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