„Mein Po ist so schwer!“ (Verminderte Wundheilung) Teil 1

Vorwort

Wenn andere Menschen von meiner Tätigkeit als Hypnosetherapeut erfahren, ist die Neugierde oft sehr groß. Ich höre oft dieselben Fragen: Was macht ein Hypnosetherapeut? Was ist die Hypnose überhaupt? Kann die Hypnose mir wirklich bei körperlichen und seelischen Problemen helfen? Wie läuft so eine Therapie eigentlich ab?

In den „Geschichten aus der Praxis“ möchte ich die letzte Frage beantworten und Ihnen jeden zweiten Sonntag einen Einblick in die hypnotische Arbeit geben. Dabei lege ich selbstverständlich sehr großen Wert auf Diskretion und halte die Identität meiner Klienten geheim. Ich verändere dafür die Personendaten (Name, Alter etc), oder halte sie absichtlich sehr vage, um meine Klienten zu schützen.

In den Geschichten werden Sie auf sog. „Archetypen“ treffen, die man auch als Persönlichkeitsteile, oder Ich-Anteile bezeichnen könnte. Sie zeigen sich in der Form von Menschen, Gegenständen, Tieren, oder Fabelwesen und dienen uns als „Sprachrohr des Unbewussten“. Sie geben uns wichtige Informationen und helfen uns bei der Bewältigung unserer Ängste, oder Konflikte.

Im Hypnose-FAQ habe ich Ihnen alles Wissenswerte über unsere unbewussten Helfer zusammengefasst – hier erfahren sie alles zur inneren Weisheit, der Tiefenperson und dem Saboteur.

„Mein Po ist so schwer!“ Teil 1

Eine Dame mittleren Alters (ich nenne sie hier Jennifer) rief mich an, da sie nach ihrem viermonatigen Krankenhausaufenthalt nicht mehr laufen konnte. Sie hatte eine Darm-OP hinter sich, bei der sie zweimal wiederbelebt werden musste. Nun hatte Jennifer Angst, die kommenden Operationen nicht zu überleben.

Durch frühere Operationen an Fuß, Bein und Hüfte konnte sie sich schon seit langer Zeit nicht mehr gut bewegen. Jetzt konnte sie nicht mal aus dem Bett aufstehen, obwohl ihr Physiotherapeut sich sicher war, sie hätte genug Kraft. Jennifer fühlte sich jedoch zu schwach um aufzustehen. „Der Physiotherapeut sagt, dass ich genug Kraft habe, aber mein Po ist so schwer!“. Von der Idee einer Hypnosetherapie hielt ihr Physiotherapeut nicht viel, da er nicht daran glaube. Aber sie solle das ruhig machen; es würde ihr bestimmt nicht schaden.

Die Vorgeschichte

Sie hatte in ihrem Leben schon über 20 Operationen, daneben Hashimoto (Autoimmunerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt) und einer sehr schwachen Wundheilung. Durch diese wurde die Rückverlegung des Darmausgangs erst in einem ¾ Jahr eingeplant, statt wie üblich ein paar Wochen nach dem Eingriff.

In den Hausbesuchen lernte ich Jennifer als eine sehr liebe und freundliche Person kennen, die in ihrer Ungeduld sehr unter der Situation litt.

Auf ihre Eltern angesprochen erzählte sie mir, dass sie zu ihrem Vater ein distanziertes Verhältnis hatte. Mit ihrer Mutter verstand sie sich eigentlich immer gut, bis es zu einem großen Familienstreit kam. Später nahm Jennifer ihre Mutter auf und pflegte sie, da sie bettlägerig geworden war. Sie sprach nicht viel mit Jennifer, weshalb sie ihren Streit nicht beilegen konnten. Die Antworten auf wichtige Fragen nahm die Mutter mit ins Grab. Jennifer hatte das Gefühl, dass sie den Konflikt schon lange verarbeitet hat, wunderte sich dennoch, dass ihr die Gedanken daran noch immer die Tränen in die Augen trieben.

Die Hypnose

In den ersten Sitzungen tauchten wir den Körper hypnotisch in angenehme Farben, die ihr Kraft und Sicherheit gaben. Dabei bekam der Oberkörper ein angenehmes Lila, die Beine ein strahlendes Gelb. Der Po konnte noch keine Farbe annehmen. Zwischen den Sitzungen weinte Jennifer sehr viel, jedoch meistens ohne Grund, wie sie sagte. Die Angst bei der nächsten Operation zu sterben war sehr stark, weshalb wir in Hypnose einen Archetypen aufsuchten, den man den „Herrscher über Leben und Tod“ nennen könnte. Dieser zeigte sich als netter Herr in dunkler Gestalt und er sagte ihr: „Du wirst leben und du hast noch Zeit!“. Dann nahm er Jennifer in den Arm und versprach ihr, für sie da zu sein. Das berührte Jennifer sehr.

Da sich die Wunde am Bauch entzündete, mussten wir die Therapie unterbrechen. Jennifer kam erneut ins Krankenhaus, wo die entzündete Haut herausgenommen und Haut vom linken Bein auf die vorher entzündete Stelle transplantiert wurde.

Nach ein paar Wochen war sie wieder zu Hause und wir begannen mit der hypnotischen Trauerarbeit. Sie hat bemerkt, dass es noch viele ungeweinte Tränen gab. Sie suchte die Trauer in ihrem Körper und fand sie im Brustkorb als ein verwaschenes Grau. Sie gab der Trauer Raum und atmete sie nach und nach aus. Die Trauer, die so schwer in ihrem Körper lag, durfte gehen. Den nun frei gewordenen Platz füllten wir mit den Farben, die wir schon gefunden hatten (Lila und Gelb). Diese gaben ihr das Gefühl von Sicherheit und Kraft. So fühlte sich ihr Brustkorb plötzlich leichter an. Sie begann tiefer zu atmen und war verwundert, dass die Arbeit mit den inneren Bildern das tatsächliche Empfinden des Körpers so schnell verändern konnte: „Aber wie kann das sein, wenn das alles doch nur in meiner Vorstellung passiert?“. Ich entgegnete mit einer Gegenfrage: „Wieso stehen Sie nicht einfach auf, wenn sie doch genug Kraft in den Beinen haben?“

Wir sprachen viel darüber, dass das Gefühl immer dominanter ist als das Wissen. Und was es nutzt zu wissen, dass die Muskeln stark genug sein müssten, um sie zu heben, wenn sich der Po doch so schwer anfühlt, dass er von keiner Kraft des Körpers gehoben werden kann?…

Hier geht es weiter zu Teil zwei von „Mein Po ist so schwer!“.

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