„Jetzt habe ich voll Lust Fallschirm zu springen!“ (Höhenangst)

Vorwort

Wenn andere Menschen von meiner Tätigkeit als Hypnosetherapeut erfahren, ist die Neugierde oft sehr groß. Ich höre oft dieselben Fragen: Was macht ein Hypnosetherapeut? Was ist die Hypnose überhaupt? Kann die Hypnose mir wirklich bei körperlichen und seelischen Problemen helfen? Wie läuft so eine Therapie eigentlich ab?

In den „Geschichten aus der Praxis“ möchte ich die letzte Frage beantworten und Ihnen jeden zweiten Sonntag einen Einblick in die hypnotische Arbeit geben. Dabei lege ich selbstverständlich sehr großen Wert auf Diskretion und halte die Identität meiner Klienten geheim. Ich verändere dafür die Personendaten (Name, Alter etc), oder halte sie absichtlich sehr vage, um meine Klienten zu schützen.

In den Geschichten werden Sie auf sog. „Archetypen“ treffen, die man auch als Persönlichkeitsteile, oder Ich-Anteile bezeichnen könnte. Sie zeigen sich in der Form von Menschen, Gegenständen, Tieren, oder Fabelwesen und dienen uns als „Sprachrohr des Unbewussten“. Sie geben uns wichtige Informationen und helfen uns bei der Bewältigung unserer Ängste, oder Konflikte.

Im Hypnose-FAQ habe ich Ihnen alles Wissenswerte über unsere unbewussten Helfer zusammengefasst – hier erfahren sie alles zur inneren Weisheit, der Tiefenperson und dem Saboteur.

„Jetzt habe ich voll Lust Fallschirm zu springen!“

Michael, ein Mann mittleren Alters (hier Michael genannt), kam mit einer starken Höhenangst in meine Praxis. Höhenangst ist eine Art Urinstinkt und kann uns mitunter vor großem Schaden bewahren. Sie schützt uns also gewissermaßen. Allerdings war sie bei Michael so stark ausgeprägt, dass er von einem höheren Stockwerk nicht mehr aus dem Fenster schauen konnte. So beschloss er sich Hilfe zu holen.

In der ersten Sitzung begannen wir mit der hypnotischen Arbeit und suchten die innere Weisheit auf. Diese ist häufig der erste Ansprechpartner für unsere Probleme, da sie – wie der Name schon vermuten lässt – sehr weise ist und entweder schon die Lösung für unsere Probleme kennt, oder von einem anderen Archetypen weiß, der uns weiterhelfen kann. In der zweiten Sitzung arbeiteten wir dann konkret an der Höhenangst:

Hypnose bei Höhenangst: „Jetzt habe ich voll Lust Fallschirm zu springen!“. Zeichnung von Stefanie Grundmann

Wir begannen mit der Hypnose und suchten sofort die innere Weisheit auf, die sich als weiser Mann zeigte. Auf die Höhenangst angesprochen sagte sie, Michael solle in Hypnose einen Fallschirmsprung machen. Der weise Mann sorge dafür, dass ihm nichts passiere, was Michael ein Gefühl der Sicherheit vermittelte. So machte Michael den Fallschirmsprung und fühlte sich dabei sichtlich gut. Doch damit war es noch nicht getan: Der weise Mann gab ihm noch einige weitere Aufgaben, sodass sich Michael bald auf einem dünnen Steg zwischen zwei Häuserdächern balancieren sah, oder aus großer Höhe aus dem Fenster schaute. Das alles machte er vollkommen eigenständig, ausschließlich unter der Führung des weisen Mannes. Nach ca. 30 Minuten kam Michael wieder „zurück“ ins Bewusstsein und sagte: „Jetzt habe ich voll Lust Fallschirm zu springen!“. Ein wenig erschrocken über diesen Satz musste Michael schmunzeln. Hätte ihm der Gedanke an einen Fallschirmsprung in der Vergangenheit noch den Schweiß auf die Stirn getrieben, empfand er den Gedanken nun nicht mehr als beängstigend.

Zwei Wochen später kam Michael zur dritten Sitzung zu mir in die Praxis und berichtete mir von seinem Fortschritt: Bei einem Freund, der im dritten Stock wohnte, beugte sich Michael über den Balkon. Erst danach fiel ihm auf, dass er keine Angst mehr hatte. Früher, so sagte er, hätte er noch zwei Meter Abstand vom Rand genommen. Wir festigten in der dritten Sitzung seine neugewonnene Angstfreiheit und beendeten die Therapie.
Zwei Jahre später traf ich Michael auf der Straße wieder und er erzählte mir, dass er nach wie vor angstfrei sei. Einen Fallschirmsprung habe er aber leider noch nicht gemacht. Schade! Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Die nächste Geschichte aus der Praxis wird am 16.04.17 veröffentlicht!

Auch spannend: Wie Nicole trotz ihrer Dentalphobie den Besuch beim Zahnarzt meisterte: „Schon vorbei? Mein Pferd hatte mir noch so viel zu zeigen!“ (Dentalphobie)

spacer